Zu dieser Zeit, die Bundesbahn hieß noch Reichsbahn, befand sich der Braunschweiger Bahnhof – ein Kopfbahnhof – noch mitten in der Stadt (heute Braunschweigische Landessparkasse). Fahrkarten mussten vor 75 Jahren auch noch am Schalter gekauft werden. Die Braunschweiger Zeitung veröffentlichte am Dienstag, 11. Mai 1948, unter der Überschrift „Doppelte Enttäuschung“ folgende Zeilen:

„Am Sonnabendnachmittag war es. In der dachlosen Halle des Hauptbahnhofs hatten nur zwei Schalter geöffnet. Sparsamkeit ist ja nun einmal Trumpf, und wir sind das Warten gewöhnt. Jeder reihte sich mit Geduld in die Schlange ein und freute sich jeden Schrittes, den man den ersehnten Fenstern näher kam. Schon schien es gelungen, da griff höhere Gewalt ein: „Hier wird geschlossen! Bitte alles an Schalter 4 treten!“

Ein Beamter verkündete es; ein Husch und alles stand vor Schalter 4. Nur dass sich die Reihenfolge nach dem Bibelwort geändert hatte: Die Ersten sollen die Letzten sein. Den Letzten war das sehr angenehm, die ehemals Ersten aber murrten und waren von der höheren Weisheit der Reichsbahn nicht ganz überzeugt. Man hätte doch die Schlange vor dem alten Schalter noch abfertigen können, hätte einen Beamten rechtzeitig aufstellen können, damit die alte Schlange sich nicht noch nutzlos verlängerte. Man hätte ...

Ja, man hätte manches tun können, wenn eine Behörde nun nicht eine Behörde wäre. Lebenskluge erwarten schon gar keine Rücksichtnahme von amtlichen Schreibstuben.

„Sonderbar!“ – meinte inzwischen jemand, der ganz vorne in der Schlange stand. „Sonderbar, daß niemand mit dem Verkauf beginnt!“ Alle reckten die Hälse und hatten so beste Gelegenheit, den Eisenbahnbeamten zu beobachten, der verlegen näher trat und lispelte: „Es war ein Irrtum! Der Verkauf geht am alten Schalter weiter!“

Nur durch schleunige Flucht konnte der Mann sich vor Handgreiflichkeiten schützen ...